NEWSLETTER KLIMA-ANTIREPRESSION #20 – Februar 2023

Hallo!
Das Jahr 2023 startete mit der Räumung von Lützerath, Bullen im Matsch und etlichen Prozessen.
Wir sind wieder da, diesmal empfehlen wir euch die EA-Auswertung zu Lützerath und haben einen
Schwerpunkt zu Knast, spezieller Untersuchungshaft und wie ihr euch am besten auf diese doofe
Situation vorbereitet. Wir hoffen damit ein paar Fragen in euren Köpfen beantworten zu können.

Inhalt:
RHEINLAND
Räumung von Lützerath – Auswertung
Erfahrungsberichte zu Polizeigewalt und anderen Repressionen
Post nach Lützerath
Repression nach Wall-Aktion
Block Neurath – Erster Prozess wegen Kraftwerksblockade
OSTEN
Brandenburg: Verurteilung und Freilassung „Unfreiwillige Feuerwehr“
Berlin: Post nach Gerechtigkeit-Jetzt!-Aktion (22.10. bis zum 24.10.2021)
NORDEN
Freispruch: Klima-Notstand rechtfertigt Bahnhofswaldbesetzung
Autobahn-Abseilprozess in Schleswig
SCHWERPUNKT KNAST / UNTERSUCHUNGSHAFT
Wann landen Menschen in U-Haft?
Haftprüfung und Anwält*innen
Im Knast
Von draußen
Vorbereitung
Zum Schluss

RHEINLAND

Räumung von Lützerath – Auswertung

Der Rheinland-EA hat eine Auswertung der Repressionen rund um die Räumung Lützeraths geschrieben, von der Gefährdung durch die Geschwindigkeit der Räumung über Polizeigewalt und Straftatsvorwürfe bis zum Fazit, dass sich widerständige Gedanken und solidarische Netzwerke nicht räumen lassen. Wegen der Länge des Textes findet ihr diesen online .

Hier ein Auszug:

Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass die Räumung von Lützerath mit dem
erwarteten Großaufgebot von Polizeikräften gewaltsam durchgesetzt wurde. Unerwartet für viele
war die Geschwindigkeit der Räumung, die eine Wiederbesetzung verhindern sollte und die Leben der Aktivist:innen aufs Spiel setzte. Obwohl verhältnismäßig wenige Personen in tagelangem Polizeigewahrsam zur Personalienfeststellung ausharren mussten, wurden hunderte Personen vor Ort stundenlang festgehalten, durchsucht und polizeilich erfasst. Die Beamt:innen wendeten besonders bei Massenaktionen und bei der Großdemo viel körperliche Gewalt an und verletzten dutzende Menschen, teilweise schwer. Wieviele Aktivist:innen in den nächsten Jahren mit Anzeigen, Gerichtsprozessen und Strafen konfrontiert werden mögen, lässt sich jetzt noch nicht abschätzen. Mit Lützerath geht ein weiterer Ort in die Bewegungsgeschichte ein, der uns zeigt: Es ist dem sogenannten demokratischen Rechtsstaat wirklich egal, wieviele tausende Menschen sich für den Erhalt unseres Planeten und einen Systemwandel erheben, oder dass die Wissenschaft uns inzwischen einstimmig mahnt, dass ein anderer Weg möglich und nötig wäre. Die Interessen von Industrie und Kapital werden entgegen besseren Wissens und Gewissens mit staatlicher Gewalt durchgesetzt. Doch was in Lützerath an widerständigem Gedankengut und solidarischen Netzwerken entstanden ist, konnte nie geräumt werden und wird sich weiter verbreiten. Die staatlichen Repressionen, die noch kommen werden, sollen uns einschüchtern, doch sie werden uns nur bestärken, dass es richtig war und wichtig bleibt, für ein besseres Leben für alle zu kämpfen.

Erfahrungsberichte zu Polizeigewalt und anderen Repressionen

Wenn ihr selber etwas habt, was ihr an Erfahrungeberichten aus Lützerath auf unserer Homepage
veröffentlichen wollt, schreibt uns gerne! Erfahrungsberichte und erklärende Worte zum Thema
findet ihr hier .

Post nach Lützerath

Wenn ihr wegen Aktionen oder der Räumung rund um Lützerath Post bekommt, könnt ihr euch an
die Antirepressionsgruppe Rheinisches Revier wenden, per Mail an antirrr@riseup.net – falls ihr
eure Mail verschlüsseln wollt und damit weniger mitlesbar für Repressionsbehörden machen findet ihr den PGP-Schlüssel auf der Website https://antirrr.nirgendwo.info/kontakt/
Auch wenn ihr keine Hilfe braucht, schreibt uns gerne kurz was zu euren Verfahrensausgängen, damit wir das in die Beratung der anderen mit einfließen lassen können. Vernetzt euch auch mit anderen Betroffenen und eurere Bezugsgruppe und unterstützt euch gegenseitig! Weitere Infos .

Repression nach Wall-Aktion

Anfang August 2022 hatte RWE versucht, einen Erdwall um Lützerath aufzuschütten, um das Dorf noch vor der Räumung zum Betriebsgelände zu erklären. Das ist auch deshalb brisant, weil der Vorwurf des Hausfriedensbruchs oft nur dann vor Gericht standhält, wenn es eine durchgängige „Umfriedung“ (z.B. durch einen Wall oder Zaun) des Tagebaus gibt. Im August hatten sich mehrere Menschen mit einer Sitzblockade vor die Bagger gesetzt, um die vorzeitige Umwallung Lützeraths zu verhindern. Mehrere Menschen haben jetzt Post bekommen, ihnen wird Vermummung vorgeworfen. Dieser Straftatbestand steht seit der Gesetzesverschärfung 2021 im neuen Versammlungsgesetz NRW. So ist es für die Staatsschergen möglich, sogar eine Sitzblockade zu kriminalisieren. Wir solidarisieren uns mit den Betroffenen und rufen auf, sie bei ihren Prozessterminen zu unterstützen:

  • 09.05.2023 um 10:00 Uhr, Sitzungssaal 1.02 in Erkelenz, Fortsetzung 23.05. 10:00 Uhr
  • Weitere Termine werden vermutlich bald angesetzt, wenn die Betroffenen es wollen, veröffentlichen
    wir sie auf https://antirrr.nirgendwo.info/termine , schaut dort also gegelegentlich nach!

Block Neurath – Erster Prozess wegen Kraftwerksblockade

Zeitgleich zur COP im November 2021 wurde das Kohlekraftwerk in Neurath so blockiert, dass es gedrosselt und ein Block ganz herunter gefahren weden musste. Bei der Blockade wurden zwischen 5000 und 22000 Tonnen CO2 gespart und RWE kündigte eine Schadensersatzforderung von 1,2 Millionen Euro an. Während die noch auf sich warten lässt, startete jetzt der erste Strafprozess vor dem Amtsgericht Grevenbroich, auch mit viel Trubel drumherum. Die ausführlichen Prozessberichte findet ihr hier:

Ein Urteil wird am Di, 7.3. erwartet, da geht es um 13 Uhr weiter. Für den Mo, 15.5. seid ihr für den Prozess gegen eine weitere Person herzlich nach Grevenbroich ans Amtsgericht eingeladen, eventuell gibt es da drumherum auch noch einiges an Aktionen zum mitmachen. Schaut vor allen Terminen nochmal hier nach, ob das dabei bleibt.

OSTEN

Brandenburg: Verurteilung und Freilassung „Unfreiwillige Feuerwehr“

Die „Unfreiwillige Feuerwehr“ blockierte im September 2022 ziemlich effektiv das Kohlekraftwerk in Jänschwalde. Ava und Ralph saßen bis kurz nach dem ersten Prozesstag in Haft und wurden vom Amtsgericht Cottbus schließlich zu vier Monaten Haft ohne Bewährung verurteilt wegen Nötigung, Störung öffentlicher Betriebe und Hausfriedensbruch. Im Dezember, nach knapp drei Monaten Haft kamen sie schließlich frei, obwohl ein Urteil vom Landgericht aus der Berufung noch nicht fiel – zwei Drittel der erwarteten Strafe waren abgesessen und geladen werden können die beiden auch über ihre Anwält*innen, meinte das Gericht jetzt. Auch die anderen der etwa 20 Blockierer*innen, die ihre Personalien schließlich angaben, warten jetzt auf ihre Prozesstermine oder Schadensersatzforderungen von der LEAG.
Wer mehr darüber wissen will, wie ein Kohlekraftwerk lahmgelegt wird, kann bei der Aktionsgruppe für einen Vortrag anfragen.

Mehr Infos: https://unfreiwilligefeuerwehr.blackblogs.org/

Berlin: Post nach Gerechtigkeit-Jetzt!-Aktion (22.10. bis zum 24.10.2021)

In den letzten Monaten bekamen einige Personen Post von staatlichen Behörden zu der Gerechtigkeit-Jetzt!-Aktion im Oktober 2021 in Berlin. Gute Nachricht: Vor Kurzem wurde in Bayern ein Mensch nach erhaltenem Strafbefehl vom Gericht freigesprochen. Wenn auch Du bei den Aktionen beteiligt warst, sei trotzdem weiterhin aufmerksam und check Deinen Briefkasten! Du bist auch betroffen? Falls Du einen Anhörungsbogen und/oder einen Strafbefehl erhalten hast, dann melde Dich bitte bei gerechtigkeitjetzt_legalsupport@riseup.net ! Besonders bei Strafbefehlen gilt: Schnell ans Legal-Team wenden, denn Du hast dann nur 2 Wochen Zeit für einen Einspruch! Wir stehen zusammen! Ziviler Ungehorsam ist demokratisch und legitim! Lasst uns alle gemeinsam stehen, wenn durch Repression versucht wird, die Klimagerechtigkeitsbewegung zu schwächen. Wir lassen uns nicht einschüchtern!

Zu den Aktionen damals .

NORDEN

Freispruch: Klima-Notstand rechtfertigt Bahnhofswaldbesetzung

In Flensburg gab es im November bei einem Prozess eine Überraschung: Ein Besetzer des Bahnhofswaldes wurde freigesprochen , nicht etwa, weil das Gericht keinen Hausfriedensbruch sah, sondern weil es diesen als grechtfertigt ansah anlässlich des Klimawandels. Die Abholzung eines Waldes zu verhindern würde einen Beitrag zum Klimaschutz liefern und Klimaschutz sei nach dem Urteil des Bundesverfassungsgericht aus dem April ein eigenständiges Rechtsgut, was vom rechtfertigenden Notstand geschützt sei. Mildere Mittel hätten versagt, so heißt es auch in der ausführlichen Urteilsbegründung. Nach der Revision der Staatsanwaltschaft liegt das Urteil jetzt vorm Oberlandgericht in Schleswig zur Überprüfung, es erreichte aber schon jetzt bundesweite Aufmerksamkeit.

Autobahn-Abseilprozess in Schleswig

Ab 2020 gab es zahlreiche Abseilaktionen über Autobahnen. Im letzten Newsletter berichteten wir über Drohungen der Staatsanwaltschaft in München, jetzt erklären wir anhand einer Verurteilung in Schleswig, wie die juristische Konstruktion aussehen kann. Im Dezember und Januar waren dort nach drei Verhandlungstagen vier Personen zu je einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen (also je 1200 Euro) verurteilt worden. Der Vorwurf ist Nötigung, das heißt jemanden mit Gewalt (oder Androhung von Gewalt) dazu nötigen, irgendwas zu tun oder sein zu lassen. Das Problem ist, dass diese Definition hier nicht passt, wenn Menschen gar nicht wirklich im Fahrtweg hängen (wie bei allen Autobahnabseilaktionen hingen sie deutlich über der Fahrthöhe auf der Autobahn) und deshalb die Autos nicht zum Stillstand gezwungen wurden. Da Gerichte aber kreativ werden um zu verurteilen, was gesellschaftlich nicht akzeptiert wird, heißt es jetzt, die Aktivist*innen hätten die Polizei instrumentalisiert und zu ihrem Werkzeug gemacht, um durch die Polizei die Autofahrer*innen zum Stehenbleiben oder Umwege fahren zu nötigen. Die Polizei als willenloses Werkzeug von Aktivist*innen – Gerichte und Staatsanwaltschaften sind sich nicht zu blöd, das in Urteilen tatsächlich zu verkünden. Mal sehen wie es in den nächsten Instanzen weiter geht. Prozessberichte:

Hirnstupser zur Ausweitung des Nötigungsbegriffs:
https://www.youtube.com/watch?v=Z1-rzOhG1Vs&feature=youtu.be

Die Rechtsprechung zu Autobahnabseilaktionen bleibt widersprüchlich: In Kassel gab es wegen einer Aktion am gleichen Tag einen Freispruch vor dem Amtsgericht, weil kein beweisbarer Vorsatz vorlag, die Polizei die Autobahn sperren zu lassen. In Frankfurt fordert dagegen ein grüner Staatsanwalt Haftstrafen für einige der Danni11. Ein Urteil wird dort am 1. März erwartet.

SCHWERPUNKT KNAST / UNTERSUCHUNGSHAFT

Immer wieder landen Menschen auch wegen ihren Aktionen für Klimagerechtigkeit im Knast, oft plötzlich und eher unerwartet, manchmal anonym. Das ist für die drinnen und auch die Freund*innen draußen eine ungewohnte, oft beschissene Situation. Manchmal wird sie ein bisschen leichter, wenn Menschen wissen, was sie erwartet und sich und ihr Umfeld vorbereitet haben. Generell werden Aktivist:innen der Klimagerechtigkeitsbewegung eher selten vor Gericht zu langen Haftstrafen verurteilt, sondern zu Geldstrafen. Und selbst wenn dich ein Gericht zum Freiheitsentzug verurteilt, hast du in der Regel noch etwas Zeit bis zum Antritt der Haftstrafe – du wirst also meistens nicht aus dem Gerichtsgebäude geschleift und direkt hinter Gitter gebracht. Was allerdings immer wieder vorkommt, ist die U-Haft als „Aufbewahrung“ einer angeklagten Person von der Festnahme bis zum Gerichtsprozess.

Wann landen Menschen in U-Haft?

Es gibt verschiedene Arten von Haft. Das was uns oft überrascht, ist die Untersuchungshaft, kurz U-Haft. Wenn Menschen von der Polizei festgenommen werden und ihnen Straftatsvorwürfe gemacht werden, werden sie entweder bis zum nächsten Tag oder nach einigen Tagen im Polizeigewahrsam freigelassen oder es gibt eine Haftrichter*innen-Vorführung. Diese Haftrichter*in entscheidet dann ob die Person frei oder in den Knast kommt. Damit wer in den Knast kommt braucht es formell zwei Dinge: Einmal den Vorwurf einer Straftat mit dringendem Tatverdacht, also dass die Polizei sich ziemlich sicher ist, dass die Person die Straftat begangen hat, und dann zusätzlich einen sogenannten Haftgrund. Haftgründe sind Fluchtgefahr oder Verdunkelsgefahr. Bei besonders schweren Straftaten reichen auch die Taten an sich oder eine Wiederholungsgefahr. In unserer Antirepressionspraxis sehen die Gerichte eigentlich immer die Fluchtgefahr, beispielsweise wenn Menschen ihre Personalien verweigern. Wie immer bei Gerichten ist also auch wieder viel Willkür dabei. Unsere Erfahrungswerte zur Anordnung von Untersuchungshaft unterscheiden sich stark nach Bundesländern und vorgeworfenen Straftaten. In Brandenburg beispielsweise wurde schon bei Hausfriedensbruch (Tagebau betreten) in Zusammenhang mit Personalienverweigerung U-Haft verhängt, im Rheinland arbeiten die Repressionsbehörden da eher mit verlängertem Gewahrsam und weniger mit U-Haft.
Bei bekannten Personalien kann es trotzdem auch zur U-Haft kommen, in den meisten uns bekannten Fällen geschah dies bei schwereren Vorwürfen wie beispielsweise tätlichem Angriff auf Vollstreckungsbeamte. Fluchtgefahr wird auch häufiger angenommen, wenn Menschen einen Wohnsitz im Ausland oder gar keine Meldeadresse oder einfach genug linke Freund*innen im Ausland haben. Grundsätzlich geht Untersuchungshaft bis zum Prozess, eigentlich längstens für sechs Monate, aber wenn sie wirklich wollen, gibt es Wege auch das zu verlängern.

Haftprüfung und Anwält*innen

Bei der Haftprüfung selbst habt ihr Anrecht auf eine*n (Pflicht-)Verteidiger*in. Wenn möglich, lasst euch wen vom Ermittlungsausschuss vermitteln oder von Antirepressionsgruppen aus der Region, am besten wen mit Erfahrung in politischen Verfahren. Das meiste der Kommunikation in nächster Zeit zwischen euch und draußen läuft über die Anwält*innen, da ihr nur zu denen relativ direkt Kontakt aufnehmen könnt. Wenn ihr den Kopf dafür habt, gebt also direkt weiter, an wen die sich draußen wenden können, was über einen Fall (nicht) veröffentlicht werden soll und worum sich direkt gekümmert werden muss.

Im Knast

Hat der*die Haftrichter*in entschieden, kommt ihr in den Knast, Justizvollzugsanstalt (JVA) ist das formelle Wort dafür und es gibt einige Unterschiede zu Polizeigewahrsam (dazu haben wir in einem der letzten Newsletter schon viel geschrieben ). Knäste sind darauf eingestellt, dass Menschen länger bleiben, das heißt es gibt zum Beispiel Bücher, manchmal Radio und Fernsehen als Beschäftigung, die Zellen sehen eher aus wie Jugendherbergszimmer – mit Gittern vorm Fenster und Türen, die von außen geschlossen werden. Erst passiert alles ganz schnell, dann ist plötzlich viel Zeit. Ein paar Dinge, um die ihr euch direkt kümmern könnt:

  • nach Blankoanträgen fragen, am besten direkt 3 oder mehr, und fragen, wie genau die
    auszufüllen sind (evtl nach eurer Station und Zellennummer fragen)
  • nach was zu schreiben fragen, ggf. beantragen
  • Briefmarken und Umschläge beantragen (1-2 bekommt ihr je nach Bundesland am Anfang
    kostenlos. Manchmal könnt ihr auch Seelsorger*innen danach fragen.)
  • eure Buchnummer (Nummer die ihr vom Knast für alles Formale bekommt) über Anwält*in
    nach draußen geben (für Post, Geldüberweisungen)
  • rausfinden wie das mit dem Einkauf, Telefonieren, Post und Waschen im Knast funktioniert
  • euch das Justizvollzugsgesetz eures Bundeslandes schicken lassen, am besten als
    Anwält*innenpost (da drin stehen viele Rechte, die die Bediensteten euch nicht unbedingt
    verraten)
  • insb. vor dem 1. Einkauf und in Quarantäne sollten Spüli, Menstruationszeug, Seife und
    Zahnputzzeug in der Zelle sein – fragt im Zweifelsfall Mitgefangene, was sie haben und
    verlangt danach
  • nach Büchern, Zeitungen, Radio und Beschäftigung fragen
  • Falls euch gesagt wird, dass ihr keine Post abschicken dürft wegen evtl noch kommender
    Postkontrolle: Diese Anordnung funktioniert nicht rückwirkend und nur (!) bei Terrorverdacht ist Anwaltpost mit eingeschlossen. Solange euch keine gerichtliche Anordnung vorliegt, habt ihr keine Postkontrolle. Die JVA kann vorläufige Postkontrolle anordnen, aber nur für wenige Tage, die muss begründet werden und die Anordnung müsst ihr schriftlich bekommen.

Das Knastsystem selbst ist sehr formalisiert, hierarchisch und repressiv. Für die meisten Dinge, die ihr wollt, müsst ihr Anträge schreiben. Es gibt dann Regeln, wann und wo ihr die Anträge abgeben müsst. Einige Ideen für Anträge:

  • ein Anwält*innentelefonat (mind. 1x kostenlos, evtl auch öfter)
  • Taschengeld zum einkaufen und telefonieren
  • ein Starterpaket (falls ihr Geld mitgebracht habt könnt ihr Tabak und/oder Kaffe kaufen auch vor dem 1. regulären Einkauf)
  • Sport mit machen dürfen
  • Gottesdienstbesuch (zum andere treffen)
  • veganes Essen (unterschiedliche Erfolgschancen, auf vegetarisches, koscheres, halal oder
    andere religiöse Ernährung habt ihr ein Recht)
  • Besuche
  • Fernseher/Wasserkocher/Radio (auf zumindest ein Radio habt ihr je nach Bundesland ein
    Recht)

Meistens gibt es einen festen Tagesablauf. Eine Stunde Hofgang am Tag steht euch zu, ansonsten ist das sehr unterschiedlich, manchmal seid ihr den Rest der Zeit allein auf der Zelle, in vielen Knästen gibt es aber auch Zeiten für Aufschluss/Umschluss (bei dem die Türen auf einer Station auf sind und ihr andere treffen oder in einer Küche kochen könnt) oder Gruppenaktivitäten, bei denen ihr beantragen könnt, teilnehmen zu dürfen. All das sollte in der Hausordnung stehen, wenn ihr diese nicht ausgehändigt bekommt, fragt danach.
Genereller Tipp: Die Bediensteten (auch Schließer*innen genannt) haben erschreckend wenig Ahnung vom Justizvollzugsgesetz und lügen auch gerne mal. Aber es sind nicht alle gleich dumm oder kacke. Wenn eine*r was verbietet, fragt den*die nächsten, es lohnt sich. Die meisten Infos bekommt ihr allerdings besser von Mitgefangenen, ohne Fragen gibt es gar keine Infos.

Von draußen

Die Situation von der anderen Seite: Eur*e Freund*in ist plötzlich eingesperrt, ihr wisst nicht wie es der Person geht und seid vollkommen überfordert, was jetzt passieren soll und dabei ist auch von draußen einiges zu tun. Ein paar Dinge, die uns so eingefallen sind: Kontakt zu Anwält*in aufbauen und halten, darüber die inhaftierte Person kontaktieren, herausfinden wie das mit Besuch, Paketen und Post funktioniert, Geld sammeln und überweisen, sich um Veröffentlichungen und Soli-Kundgebungen vorm Knast kümmern. Wenn Sicherungsmaßnahmen für die U-Haft angeordnet sind, geht alle Post durch die Zensur, das heißt es dauert möglicherweise mehrere Wochen bis Briefe ankommen. Auch Besuche müssen dann bei Gericht bzw. der Staatsanwaltschaft beantragt werden. Im Zweifel die Besuche an allen möglichen Stellen (also auch noch dem Knast) gleichzeitig beantragen, das erspart evtl das hin-und-her-verwiesen-werden und damit ein bisschen Zeit. Soli-Kundgebungen vorm Knast ermöglichen nicht nur euren, sondern auch anderen Gefangenen eine nette Unterbrechung der täglichen Langeweile. Bitte denkt da an alle und fordert nicht nur Freiheit für eure Leute. Und bedenkt die frühen Schlafenszeiten im Knast, also lieber ein Nachmittags-Konzert als eine Abendveranstaltung.

Vorbereitung

Für alle Beteiligten wird es einfacher, wenn ihr im Vorhinein überlegt habt, wie das im Falle einer Inhaftierung laufen soll. Die Menschen draußen können euch reinschicken, was ihr gerne habt und wissen das direkt, sie können sich um Veröffentlichungen kümmern unter den Namen und Bedingungen, die ihr vorher überlegt habt und ihr könnt euch drauf verlassen, dass das schon passiert und nicht Wochen vergehen, bis eine Rücksprache zwischen drinnen und draußen stattfinden konnte. In den meisten Fällen finden wir Veröffentlichungen sinnvoll, sie ermöglichen Solidarität, z.B. Briefe aus Schreibcafés – und ein Brief kann da drin einen Tag retten. Aber auch für drinnen ist es einfacher mit ein bisschen Gefühl dazu, wie Knast so ist, damit ihr wisst, worauf ihr euch einlasst (zum Beispiel wenn ihr euch für Personalienverweigerung auch dann
noch entscheidet). Denn in der Gesellschaft sind Knäste nicht so oft Thema, da reichen die Reaktionen von: „Wie ihr habt kein Internet?“ bis zum Klischee von Wasser-und-Brot und realistische Vorstellungen sind selten.
Für weitere Informationen gibt es ein nützliches Buch „Wege durch den Knast“, das sowohl Tipps für den Aufenthalt dort gibt, als auch Sportübungen und juristische Wege gegen Knastschikanen zeigt. Etliche Menschen haben berichtet und aus ihren Knastaufenthalten geschrieben. Hier ein paar relativ willkürliche Links für einige Eindrücke (kleine Warnung: fangt dann an zu lesen, wenn ihr da grade drauf klar kommt):

Wenn ihr wissen wollt, wie es im Knast ist und zu einer Geldstrafe verurteilt werdet, könnt ihr diese auch teilweise absitzen und so etwas priviligierter (weil ihr bei Zahlung rauskommt) im Knast landen. Briefe aus dieser Erfahrung findet ihr hier und noch ganz viel im sonstigen Internet:

Zur Vermittlung von Referent*innen für reale Erfahrungen oder Veranstaltungen zu Knastkritik
könnt ihr euch auch an law_and_order@nirgendwo.info wenden.

Zum Schluss

Knast soll abschrecken, damit Aktivist:innen sich aus Angst vor Repressionen weniger engagieren. Gemeint sind wir immer alle, wenn sie an einzelnen von uns ein Exempel statuieren. Umso mehr muss das heißen unsere Freund*innen nicht allein zu lassen, Briefe zu schreiben, Soli-Aktionen zu machen und Knäste generell zu bekämpfen. Denn Gefängnisse lösen keine Probleme, sondern sie schaffen neue. Die Gewalt des Systems dort erzeugt neue Gewalt und die soziale Isolation verhindert bessere Problemlösungen zu finden.

Also: Freiheit für alle!
Solidarische Grüße,
AntiRRR


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