Awareness auf dem System Change Camp ́23

Eine Übersicht

1- Was ist das?

Der Begriff “Awareness” kommt aus dem Englischen „to be aware“ und bedeutet (im weiteren Sinne) „sich bewusst sein, sich informieren, für gewisse Probleme sensibilisiert sein“. Wir leben in einer Gesellschaft, die von ungleichen Machtverhältnissen geprägt ist. Menschen werden aufgrund bestimmter Merkmale bevorteilt (Privilegierung) und benachteiligt (Dis kriminierung) – ob absichtsvoll oder unbewusst ausgeübt.

Awareness stellt sich als Konzept gegen jede Form von Diskriminierung,
Gewalt und Grenzverletzung. Verletzendes und grenzüberschreitendes Verhalten, wie z.B. sexistische, rassistische, antisemitische, queerfeindliche, ableistische, klassistische oder vergleichbare Übergriffe, werden auf dem System Change Camp nicht toleriert.

2- Warum brauchen wir das?

Das Camp bietet Teilnehmer*innen den Raum miteinander zu lernen, sich zu vernetzen und unsere widerständige Bewegung weiter auszubauen. Jedem anwesenden Menschen sollte ein barrierearmer Zugang zur inhaltlichen Weiterbildung und strategischen Diskussionen ermöglicht werden. Jedoch ist kein Mensch vorurteilsfrei und diskriminierungsfrei im Umgang mit Anderen. Deshalb muss eine bewusste Reflexion darüber bei jeder einzelnen Person stattfinden (Kritische Selbstreflexion). Wir können euch als Awareness-Team diese Arbeit nicht abnehmen. Wir bieten aber an, euch dabei zu begleiten.

3- Wie funktioniert das?

Awareness-Teams oder -Strukturen auf Veranstaltungen sind ansprechbar für Menschen, die Grenzüberschreitungen oder Konflikte mit anderen erlebt haben oder ein persönliches Thema haben und sich im Umgang damit Unterstützung wünschen. Hierbei kann es sich um jegliche Wahrnehmung von Machtgefällen (e.g. cis männliches Dominanzverhalten), Benachteiligung,
Ausgrenzung und die Überwindung aktuter Trigger (aus dem Englischen „Auslöser“ persönlichen Unwohlseins) gehen. Wir arbeiten parteilich und in Solidarität mit betroffenen Personen. Hierbei liegt die Definitionsmacht über die erfahrene Gewalt und/oder Grenzüberschreitungen vollständig bei der betroffenen Person.

Es gibt Personengruppen, die systemisch stärker von Diskriminierung betroffen sind als Andere. Für diese Gruppen wird es safer Spaces als Rückzugsort geben. Namentlich sind das FLINTA, Menschen im neuro divergenten Spektrum und BI_PoC. Ausgleichend zu unserer zu großen Teilen weiß positionierten Awareness gibt es noch eine explizite BI_PoC Awareness, die du im entsprechenden Safer Space finden kannst. In Teams von mindestens 2 Personen pro Schicht sind wir von 9-21 Uhr, in dem als Awareness gekennzeichneten Zelt auffindbar. Zudem versuchen wir, bei den Camp-Plena und stattfindenden Work-Shops anwesend und ansprechbar zu sein. Du kannst uns an der violetten Weste erkennen. Neben uns findest du auf dem Camp auch die Ansprechgruppe für von sexualisierter Gewalt Betroffenen . Bitte richte dich unbedingt an diese Gruppe, wenn Übergriffe dieser Art auf oder vor dem Camp statt gefunden haben und du dir bei der Aufarbeitung dieser Erfahrung Unterstützung wünschst.

4- Wie kannst du unterstützen?

Wir als Awareness-Team bieten von Diskriminierung betroffenen Personen konkrete Unterstützung an. Was wir NICHT leisten (können) ist z.B. Konfliktmanagement, Streitschlichtung oder therapeutische Arbeit. Einen sicheren Raum schaffen wir nur gemeinsam und jede*r einzelne von uns ist verantwortlich dafür, dass das gelingt. Sei also achtsam im Umgang mit
anderen Camp-Teilnehmer*innen und informiere dich bestenfalls auch schon im Vorfeld über mögliche Formen von Diskriminierung. Hier schon einmal eine kleine Zusammenfassung aus dem fabelhaften „ Glossar gegen Angst
vor Wörtern “ des Missy Magazine: Aus der binären Gegenüberstellung von Emotion und Vernunft, die in der
westlichen Denktradition und im Patriarchat seit Jahrhunderten tief verankert ist, folgt eine Gegenüberstellung von „rationalen Expert*innen“ vs. „irrationalen Betroffenen“. Wer als Person von der Dominanzgesellschaft der letzteren Kategorie zugeordnet wird, wird oft nicht ernst genommen, wird mit Mitleid oder Irritation begegnet, wird misstrauisch beäugt und belächelt, wird
unterschätzt, wird übergangen, der werden ihre Rechte abgesprochen. Das führt zu diskriminierenden Verhaltens- weisen in vielen Formen. Es folgt eine unvollständige Auflistung:

  • Tone policing , bei dem nicht auf das Gesagte sondern auf einen vermeintlich unangebrachten, „aggressiven“ Tonfall eingegangen wird.
  • Wenn eine Entscheidung ausschließlich auf der Grundlage des Alters getroffen wird, anstatt aufgrund der Fähigkeiten eines Menschen, ist das Diskriminierung in Form von Adultismus .
  • Die Grundbedürfnisse einer Person mit Behinderung werden nicht mitgedacht, weil sie nicht der Norm entsprechend erfüllt werden können. Das und eine generelle Abwertung (auch intelektuell) der Person aufgrund ihrer Behinderung nennt sich Ableismus (abgeleitet von „fähig sein“).
  • Insbesondere rassifizierten Menschen begegnen im Alltag immer wieder Mikroagressionen (abfällige Blicke e.g. Starren, Gesten, Körperhaltung, Bemerkungen oder Geräusche), die absichtsvoll oder unbewusst Resultat rassistischer Denkmuster sind. Oft wird die Person, die Mikroagression erfährt, beschuldigt, „zu sensibel“ zu sein.

Des Weiteren gilt „check your privilige“

Privilegien sind – je nach Kontext unterschiedlich ausgestaltete – unverdiente Vorteile, die eine Person genießt. Darunter fallen Positionen wie weiß, männlich, cisgender, mit Kapital ausgestattet oder able-bodied. Je nachdem, welche Ausgangsprivilegien eine Person besitzt, ist es möglich, im Laufe der Zeit weitere Privilegien dazuzugewinnen – zum Beispiel ökonomische oder
auch im Sinne von Bildung. Hilfreich bei der kritischen Auseinandersetzung darüberweiß zu sein, ist eine von Peggy McIntosh entwickelte check-liste. Außerdem gibt es auf dem Camp regelmäßig Work-Shops zu bspw kritischer Männlichkeit und kritisches weiß -Sein.

Zuletzt : Sprich bitte jeden Menschen auf dem Camp zuerst auf deutsch an, selbst wenn du vermutest, dass diese Person eventuell kein deutsch spricht: vom äußeren Erscheinungsbild kannst du nicht darauf schließen, welche Sprache eine Person sprechen kann. Halte dich zurück, wenn du Neugier empfindest, welche Herkunft oder Identität hinter dem äußeren einer Person steckt. Menschen können selbst entscheiden, was und wann sie etwas persönliches von sich preisgeben wollen und brauchen dafür keine Mutmaßungen.

5- Wir sehen uns auf dem Camp

Wir wünschen viel Spaß beim Lernen und Erleben auf dem System Change Camp und freuen uns darauf, dich dort zu sehen. Weitere wichtige Infos und unseren Flyer bekommst du am Info-Point. Du kannst uns zudem Rückmeldungen, Fragen und Anmerkungen zu unserer Awareness-Arbeit per Mail an awareness@ende-gelaende.org schicken. Sehr gern auch mit zeitlichem Abstand zum Camp. Diese werden wir dann auch nach dem Camp auswerten und reflektieren.

Eure Awareness-Crew 2023

Quellen:
1 Awareness Konzept des SCC 2022
2 Awareness Konzept des SCC 2023
3 Missy Magazine – Unser Glossar gegen die Angst vor Wörtern
4„White Privilege: Den unsichtbaren Rucksack auspacken“ von Peggy
McIntosh 1988